Schon beim ersten Anlegen an Land mit dem Dinghy greift eine neue Kultur nach uns: Jugendliche nehmen uns die Leine ab, bugsieren uns auf den glitschigen Steg, Fischreste fliegen uns entgegen und am Boden zappeln ein paar kleine Fische. Welcome to Africa! Musik umschwirrt die Ohren, schnell ist das Dinghy fest und die Jungs vor Ort versprechen, ein Auge darauf zu haben. Schon längst wurde uns gesagt, dass das hier üblich ist: Gegen 50 Cent oder 500 kapverdische Escudos wird das Beiboot bewacht. Wenig Geld für uns, viel für die Menschen hier, die Armut ist gross. Wir streifen mit grossen Augen durch das kleine Städtchen Palmeira und sind nach sieben Tage Fünfsamkeit auf hoher See gefordert, all die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Begrüssungen per Handschlag, nette Worte hier, Angebote da, streunende - und doch gepflegte - Hunde und prüfende Blicke schwirren um uns herum. Wir nehmen uns das kapverdische Motto "No Stress" zu Herzen, atmen durch und kommen an.
Auf Sal, der wohl touristischsten Insel der kapverdischen Inselgruppe, werden zwei Ausflugsziele angepriesen: Die "Salinas" und der "Shark Bay". Erstere möchten wir als erstes besuchen, aber wie kommen wir dorthin? Kaum schauen wir uns verloren auf der Strasse um, werden wir gefragt, wohin wir wollen. - Und kurzerhand ein Sammeltaxi herangepfiffen. Wir mischen uns unter die Leute und brausen los. Die Salinas sind denn auch sehenswert: Im Vulkankater wird Salz abgebaut und als Tourist:innenattraktion hält das Salzbecken her. Wir floaten eine Weile an der Oberfläche und probieren, kein Wasser in Mund und Augen abzubekommen, denn DAS BRENNT! Ganz entspannt verlassen wir den Ort, der uns ein bisschen an den "Wilden Westen" erinnert und halten Ausschau nach einer Rückfahrmöglichkeit. Ein Glück, dass uns Taxifahrer Patrick seine Nummer zugesteckt hat, hier käme kein Sammeltaxi per Zufall durch. Zurück auf dem Ankerfeld freuen wir uns über gemütliche Stunden mit der Familie auf der "Hakuna Matata" und verabreden uns mit der Familie der "Pluie de Nuit" für einen Ausflug zum "Shark Bay" am nächsten Tag. Dann verkriechen wir uns mit vielen neuen Eindrücken in die Kojen.
Die Sonne geht früh auf und wir freuen uns auf einen weiteren Ausflug auf dem Festland. Wir treffen Gael, Cécile und Jean am Fischer-Pier und machen uns auf zu den Zitronenhaien. Wir erwischen wieder ein Taxi, das uns den rumpligen Pfad zu besagtem Strand mitnimmt und gleich vor Ort auf uns wartet. - Der Rückweg wäre sonst weit, die Gegend verlassen. Wir waten ins Wasser, treffen dabei riesige, getarnte Schnecken und stehen bald mit weiteren Besucher:innen im knietiefen Wasser, den Blick gesenkt. Was wir sehen, ist beeindruckend: Unzählige kleine "Lemonsharks" kurven um unsere Beine, angelockt von Fischwasser, das die Guides im Meer verteilen. Bevor das Wasser wieder steigt, staksen wir zurück ans Ufer und rumpeln nach Espargos, der Hauptstadt der Insel. Hier stärken wir uns im Café mit Kaffee und Getränk, um danach im gut gerüsteten Supermarkt einzukaufen. Zurück in Palmeira, treffen wir einmal mehr auf Moses, der zwar hier lebt, aber 20 Jahre in der Schweiz gearbeitet hat. Er lädt uns am kommenden Tag ein, uns bei seiner Mutter im Dorf zu treffen, um ihn zur Farm zu begleiten, wo er mit seinem Onkel lebt. Wir nehmen das Angebot gern an und freuen uns, so einen Einblick ins hiesige Alltagsleben zu erhaschen zu können.
Pünktlich um 11:00 erwartet uns Moses vor der Haustür seiner Mutter. Wir werden ins kleine Häuschen gelotst, wo wir kurz zur kleinen Attraktion für die Umgebung werden: Kinder und Erwachsene drängen sich zu uns, um uns mit Handschlag zu begrüssen. Dann machen wir uns auf den Weg zum Hof, spazieren eine Weile mit Moses und seinem Bruder Luis den kargen Weg entlang, bis das Haus von Manuel, dem Onkel, in einer kleinen grünen Oase auftaucht. Die Wasserleitungen sind geschickt angebracht, so dass auch die hinterste Ecke des Landes aus den tiefen Sammelbecken bewässert werden kann. Wasser ist rar, üblicherweise regnet es im August. Esel, Hühner und Hahn, zwei Schweine und ein paar Hunde werden von Manuel gehalten, Melonen, Kokosnuss und Peperoni angebaut. Viel gibt das Land nicht her, gekocht wird über dem offenen Feuer, geschlafen mit einer Matte unter freiem Himmel. Nach unserem Rundgang servieren uns weitere zwei Brüder von Moses und Luis, die unterdessen zum gemeinsamen Bewirtschaften des Hofes angekommen sind, Reis mit Fisch. Nach dem feinen Mittagessen machen wir uns wieder mit ein paar Eindrücken mehr in unsererm Reiserücksack auf den Rückweg.
Unser Abschied von Palmeira naht. Nicht nur uns fällt der Abschied schwer, sondern auch dem Schiffsmotor: Er springt nicht an. Zum Glück liegen wir gut in der Ankerbucht, sind fest am Meeresboden verankert und deshalb sicher. Djay, der uns schon bei unserer Ankunft dabei unterstützt hat, einen guten Platz zu finden, stellt sich wieder als absoluter Glücksfall für diesen Ort heraus. Nachdem er bereits jeden Tag verlässlich bei uns vorbeigekommen ist, um ein bisschen zu plaudern und zu sehen, ob alles gut sei, ist er auch heute schnell zur Stelle. Kurzerhand fährt er zum Ufer und kommt mit einem Mechaniker an Bord zurück. Dieser prüft fachkundig, was den Motor am Anspringen hindern könnte und findet die Ursache schnell: Der Anlasser hat Abnutzungserscheinungen. Er wird ausgebaut, der Mechaniker flitzt damit in sein "office" und baut ihn geflickt wieder ein. Noch nie war das Motorenbrummen so schön zu hören!
Schliesslich ist es an der Zeit, uns von allen zu verabschieden. Hakuna Matata ist uns einen Schritt voraus, Pluie de Nuit ebenfalls, dafür ist die dänische Aquila wieder eingetroffen. Winkend fahren wir los, hinein in die Nacht, um am kommenden Morgen den Anker vor der Insel Sao Nicolao zu setzen.