Madeira

Unser erster Ankerplatz vor Porto Santo war wunderbar, trotzdem lockte nach einer Woche vor Anker die "Blumeninsel". Strelizien, Glockenmalven, Hibiscus... Farbenfrohe Pflanzen, die der Hauptinsel Madeira laut Wikipedia und co. längst zu ihrem Übernamen verholfen haben. Der Anker war gelichtet, wir nahmen Fahrt auf. Im Vergleich zur Überfahrt ein Kurztrip, wenig Welle, nicht viel zu tun, für Lio, Janosch und Nico durfte der gute alte Bud Spencer für Unterhaltung sorgen. Nach ein paar Stunden dann die willkommene Abwechslung: Land in Sicht! Allerdings keine grün überwucherte Vielfalt, sondern karge Felsen, die aus dem Meer ragten. Im Osten der Hauptinsel, wo wir den Hafen Quinta do Lorde anliefen, bot sich ein zwar sehr beeindruckendes, aber ebenso karges Bild wie in Porto Santo. Kaum angelegt, hüpften wir vom Schiff und bestaunten die Felswand, die dem kleinen Hafen Rückendeckung gab. Das vermeintlich idyllische Städchen stellte sich als riesige, stillgelegte Hotelanlage heraus. Nichts desto trotz, die Marina war gemütlich, die Dusche bot ein bisschen warmes Wasser und im Minishop gab es Glacé; es liess sich hier also gut leben. Ausserdem war die Ausgangslage für die erste Wanderung perfekt. Wir packten die Trekkingschuhe aus der Kammer des Schreckens - unserer Materialkoje - und machten uns am nächtsten Tag auf den Weg. Es sollte nicht die letzte wunderschöne Wanderung sein, weiter im Landesinneren folgten wir wie von Reiseblogger:innen empfohlen den Wasserläufen, sogenannten Levadas, wobei wir uns ein bisschen fühlten wie auf einer Regenwaldexpedition. Die Vielfältigkeit der Insel offenbarte sich in all ihrer Pracht. Nach ein paar Tagen verlegten wir nach Caletha, einer kleinen Ortschaft im Westen der Südküste. Mit einem Auto wollten wir die nörliche Seite erschliessen, ausserdem zeigte Google Maps, dass ein Pingo Doce, eine Filiale der portugiesischen Supermarktkette, vom Hafen aus zu Fuss erreichbar ist. Da wir für die nächste Überfahrt profiantieren wollten, eine ideale Ausgangslage. So der Plan, es kam anders: Nach der Pandemie zog es so viele Touristen nach Calheta, dass kein Auto mehr verfügbar war. Der Hafen bot Aussicht auf eine schroffe Steilwand und war flankiert von zwei Hotelanlagen, kurz gesagt: Es gab nichts zu tun. Wobei das natürlich nicht so ganz stimmt, an einem Schiff gibt es immer etwas zu feilen. Aurel machte sich daran, eine Fuge zu ziehen und Markierungen an der Ankerkette anzubringen, damit wir in Zukunft genauer einschätzen könnten, wieviel davon Rocinante an Ort und Stelle halten würde. Daneben kümmerten wir uns um Schulstoff und Essen, rüsteten Wasser nach, taten alles, war gemacht werden konnte. Und trotzdem machte sich fünffache Unzufriedenheit breit; wir wollten noch ein bisschen mehr von Madeira sehen. Kurzentschlossen segelten wir zur Hauptstadt Funchal, wo wir die verbleibenden Tage im Päckchen zwischen einem französischen Paar und einer dänischen Familie verbrachten. Die Kleinstadt hatte einiges zu bieten und wir genossen es, nach der Abgeschiedenheit des Hafens in Calheta eine Gondelfahrt in die Höhe von Funchal zu unternehmen und auf dem steilen Weg zurück den Insassen der berühmten Korbschlitten, die in halsbrecherischem Tempo den Hügel runtersausen, zu winken.