Falmouth Bay/Antigua - Green Island/Antigua - Gravenors Bay/Barbuda - Pink Sand Beach/Barbuda - Marigot Bay/Saint Martin

Der Wind bläst mit wenig Stärke, Guadeloupe wird nur sehr langsam kleiner und kleiner und wir versuchen, den Wunsch nach Geschwindigkeit so gut es geht beiseite zu wischen und uns auf Geduld einzustellen. Wir erledigen ein paar Dinge und sitzen zum Essen gemütlich im Cockpit zusammen, dank Seitenwind ist die Krängung - die Schräglage - von Rocinante minim. Plötzlich ruft Nico: "Delfin, Delfin!!!!", zögert kurz und schreit dann mit Janosch zusammen umso aufgeregter: "Pottwal, Pottwal!!!!" Und tatsächlich, ganz nah am Schiff liegt glänzend der riesige Körper einer Pottwaldame und ihrem Jungtier. Sie atmen prustend und blubbernd ein und aus, der Blas spritzt in die Luft und wir stehen mit offenen Mündern daneben und staunen. Was für ein Glück! - Auch, dass wir mit wenig Tempo und nicht einen Meter versetzt unterwegs waren... Denn dann hätten wir sie gerammt. So jedoch haben wir die vielleicht einmalige Chance, diese gewaltigen Meeressäugetiere aus nächster Nähe zu betrachten. Sie bleiben nicht die letzten, insgesamt sehen wir fünf Pottwale... Damit hätten wir nie gerechnet.

 

Entsprechend gut gelaunt kommen wir im Falmouth Harbour in Antigua an, wo wir zusammen mit unseren Freund:innen der "Mirabella" ein gemütliches Ankerplätzchen etwas weiter entfernt der Küste besiedeln. Die Yachten, die uns hier umgeben, sind enorm; es ist eine Anhäufung von Luxus, den wir so noch nirgends erlebt haben. Am Land geht es einfacher zu und her, wir sehen uns nach dem üblichen administrativen Aufwand den historischen English Harbour in der gegenüberliegenden Bucht an und essen im gemütlichen, bunt verzierten Restaurant. In den nächsten Tagen verlegen wir zu den "Green Islands", einem kleinen Naturschutzgebiet, in dem insbesondere Kitesurfer auf ihre Kosten kommen. Für uns gibt es nicht viel zu tun, Susann arbeitet an Artikeln, die rechtzeitig abgegeben werden wollen, die Kinder brüten über dem Schulstoff, Aurel hält Rocinante im Schuss und in der restlichen Zeit geniessen wir die Zeit mit der Mirabella-Crew, mit der wir uns bereits nach den wenigen gemeinsamen Tagen schon ganz familiär fühlen.

 

Ein paar Tage gefällt uns diese Struktur gut, dann wollen wir weiter. In Zweierflottilie mit Mirabella ziehen wir los nach Barbuda und verstecken uns dort vor viel Schwell in einem von Riffs geschützten Bereich im Süden der Insel. Diese ist ganz anders als all die bisher gesehenen: Absolut flach und wenig bevölkert. Rund 1600 Einwohnende leben noch hier, nachdem Hurrican Irma 2017 gewütet hat. Vor diesem Desaster konnte sich jede:r Einwohnende ein Landstück aussuchen, auf dem er oder sie sich niederlassen wollte; alles gehörte allen, man wehrte sich dagegen, Investoren aus dem Ausland Land kaufen zu lassen. Ein Vorhaben, das sich nach der Zerstörung änderte. Nun ist der "Princess Diana Beach" privat und gehört zum angrenzenden Resort, dahinter werden Golfplätze auf dieser kargen Insel mit riesigen Wassersprenklern besprenkelt. Im Städtchen Codrington dagegen hämmern und sägen die Leute noch immer an ihren Häusern und versuchen, diese wieder in Stand zu setzen. Und wir fragen uns, wie es wohl sein muss, dauernd mit dem Damoklesschwert eines nahenden Hurricans leben zu müssen.

 

Unsere Zeit hier ist hingegen nicht gezeichnet von viel, sondern von viel zu wenig Wind; er reicht nicht, um nach Saint Martin segeln zu können. Langsam drückt unser Zeitplan ein bisschen, wir möchten allerspätestens um den 20. April in Nassau auf den Bahamas sein. Aurels Vater Roman und sein Onkel Urs treffen am 24. April ein, um mit ihm zusammen in 3-4 Wochen die Passage zu den Azoren zu segeln. Susann, Lio, Janosch und Nico fliegen dieses Wegstück mit einem kurzen Zwischenstopp in New York und verbringen die Zeit in Horta bis zu Rocinantes Ankunft mit den Grossmüttern und der Urgrossmutter. Der Plan steht also, nur der Wind bleibt aus. - Bis nach Nassau sind es immerhin noch mindestens 1000 Seemeilen, die bewältigt werden müssen. Wir machen das Beste daraus und feiern jeden Tag mit der Mirabella-Crew am Strand, bei gemeinsamen Essen und am Lagerfeuer mit weiteren Segler:innenfamilien.

 

Schliesslich zeigt sich ein gutes Wetterfenster, wir hissen die Segel und segeln über Nacht zur Marigot Bay in Saint Martin, wiederum einer französischen Insel. Mirabella kommt nach, auch die gute alte Hakuna Matata trifft ein. Die Zeit vergeht schnell, wir provisionieren, füllen Wasser-, Diesel- und Benzintanks, waschen Kleider und verbringen die verbleibende Zeit mit liebgewonnenen Menschen. Nicht zuletzt auch an einem besonderen Tag: Aurel wird 40! Schön, zwei tolle Familien in den Nachbarschiffen zu haben, die freudig mitfeiern. Nach einem feinen Frühstück mit musikalischer Unterstützung von Aurels Eltern via WhatsApp-Videoanruf beim "Happy Birthday" spazieren wir mit Hakuna Matata zum nahen Fort und feiern beim gemeinsamen Abendessen auf Rocinante weiter, wo auch Mirabella dazustösst. Abends um 23:00 dann der Schock: Das an Rocinante befestigte Dinghy der Hakuna Matata ist weg! Es folgt eine dreistündige Suchaktion mit den verbleibenden zwei Beibooten und grellen Taschenlampen in der ansonsten dunklen Bucht... Zum Glück mit Happyend! Ein anderes Schiff hat das umhertreibende Dinghy angetroffen und ans Heck gebunden. Erleichtert fallen wir in die Kojen... Was für ein Geburtstag!